Kirsche ist Ultra – Der Ultramarathon in Rodgau #rodgau50

Hahaha macht das Hirn, Klickklick macht die Hand und schwupps bin ich beim Ultramarathon Rodgau 2014 angemeldet. Eine sehr spontane Entscheidung, die sicherlich überhaupt garnichts mit den Schwärmereien der Twitter-Läufer zu tun hat. Zumal einige Romanzen ehm Freundschaften sich beim Rodgau50 entwickelt haben. („Wolferl und das Dampfbügeleisen“) Ich bin also angemeldet. Bei einem Lauf, der den Halbmarathon und den Marathon knackt. Ein Lauf, der in Runden absolviert wird.

Dieses Jahr also fand der Ultramarathon Rodgau zum 15. Mal statt. 10 Runden a la 5km mussten hier im Januar bewältigt werden. Ich muss ja zugeben, ich habe das Blut einer kleinen Ziege geopfert, damit kein Schnee liegt. Und bei Vollmond ein Büschel Haare einer 100jährigen Frau im Moor vergraben. Fazit: Kein Schnee. Kein Regen und keine eiskalten Minusgrade. Somit war die wettertechnische Grundlage für das Bekämpfen meines Schweinehunds schon einmal vorhanden. Zwar kann man als Läufer nach jeder beliebigen Runde aussteigen, aber das ließ ich garnicht erst im Kopf fruchten. Ich lauf die 50. Feddich. Schluss. Und wenn ich kriechen muss, ich mach die gesamten 10 Runden.

Rodgau. Spricht man Rottgau. Nicht Roodgau. Die Hessen halt. Dank dem Bert hatte ich eine tolle Unterkunft von Freitag auf Samstag im schönen Odenwald. Zwar neblig umsponnen, aber ich konnte die endlosen Wälder, die da auf einen warteten schon erahnen. Ein herzliches Dankeschön an die spontane und unkomplizierte Gastfreundschaft! Und vom Odenwald ging’s Samstag Früh dann nach Rodgau. Bitterkalt und unglaublich nervös wurden die Unterlagen abgeholt und nach Läufern vom Twitterlauftreff gesucht. Ich fand den Claus, den Michael und den Christian. Das bevegt-Team sagte auch strahlend Hallo, Hendrik brüllte von der Zuschauerseite mal was rüber (sehr verwirrend, ich hatte schon gedacht mein Hirn würde unter Sauerstoffmangel leiden) und auch Laufticker sagte begeistert und sympathisch „Halloooo!“. Ganz großes Kino, diese Läufergemeinschaft.

ultrarodgau

Von den Turnhallen ab zum Start „Das wird nachher noch die längste Strecke, die du jemals zurück gelegt hast!“ meinte Christian. Aha. Schluck. Wenn er das schon sagt, als Ironman-Bewältiger. Ich reihte mich hinten ein, in die bunte Läuferschar. Musste etwas lachen, weil vor mir einer mit einem „Meditation hilft“-Shirt stand (irgendwann erst realisierte ich, dass es „Mediation hilft“ hieß) und schon ging’s los. Mein erster Ultra fing an und ich wusste nicht was mich erwartete. Deswegen hatte ich mir die Woche davor fast ins Hemd gemacht. Ich wollte einfach, dass es los geht, dass ich einfach anfangen kann mit dem Laufen und mich testen kann. Ich scharrte mit den Läuferfüßchen vor Ungeduld und Neugierde und Aufregung. Und jetzt war es soweit.

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Nach ein paar Schritten sagte mein Doppelknoten „Not so faaaast“ und öffnete sich. Mit Handschuhen kurze Schuhbändel zum Doppelknoten zu kriegen ist beschissen. Ganz simpel beschissen und fast hätte ich meinen Handschuh mit verknotet. Die ersten zwei Runden waren gut, langsam gelaufen und mich an einer Labertaschengruppe orientiert, die mein Tempo liefen. Da hätte ich gerne Kopfhörer rein, da sich die zwei Damen wohl Jahre nicht getroffen hatten und auf leicht anstrengende Art ihre ach-so-dramatischen Lebenserfahrungen miteinander teilen mussten. Zu Hülf. Am Ende der dritten Runde setzte es dann ein: Mein angeschlagenes rechtes Knie. ITBS. Beschissene, unangenehme Schmerzen. Ein paar Mal sackte mir das Bein weg, ein bisschen Pipi in den Augen sorgte für eine Pause. Aufhören? Knie ausruhen? Mir war klar, dass die nächsten Runden – herrje, es waren ja noch 7 Runden – schmerzhafter werden würden, da irgendwann auch noch der Körper müde wird. In der vierten Runde überlegte ich, ob ich aussteige. Bis dann der Hulk in mir entschied, dass ich gerade Bullshit denke und alles andere als aufhören sollte. Knieprobleme? My ass! Das ist nur das Band, nicht das Knie! Du hast trainiert und du weißt, dass es nach ca. 10-15km auch wieder aufhören kann. Krieg dich gebacken und beiß dich durch Kirsche!

Das machte ich. Runde 6 und Runde 7 waren Kämpfe. Kämpfe mit mir selbst, mit meinen Gedanken, mit meinem Knie und mit dem argen Bedürfnis von der bekannten Strecke abzuweichen. Asphaltbrettern im grauen Nebel gab sich die Hand mit Schlammbaden auf den Waldwegen. Wer dachte „Ui, der hat’s nimmer rechtzeitig aufs Dixi geschafft“ lag falsch: Es war Schlamm. Jedes Mal bei der Kehre, bei der Musik aus zwei Boxen schallte, musste ich den Musikgeschmack des DJs ernsthaft in Frage stellen. Das schönste Stück waren die letzten 2 Kilometer der Strecke. Wunderschöner Wald, Kiefernbäume, Moosboden. Wow. Da fand ich Trails und sabberte innerlich.

In der 8. Runde konnte ich mit Claus etwas Zeit teilen. Ein etwas langsamere Runde für ihn, für mich war es am Ball bleiben und das Laufen nicht verlernen. Die neunte Runde war wirklich schwer, das Wieder-Anlaufen nach dem Gehen um trinken zu können (ich kann nicht im Laufen aus Bechern trinken. Kann ich nicht ohne komplett in Iso/Cola/Wasser zu baden) das war die Hölle. Aber Schrittchen für Schrittchen kam ich wieder in meinen Rhythmus. Und in der 10. lief es dann. Ab Kilometer 43 hatte ich Musik in den Ohren und ich konnte endlich endlich komplett abschalten. Mein Knie gab keinen Mucks mehr von sich und die Beine waren etwas taub. So wie es sein sollte.

Im Ziel angekommen, ich hatte noch zwei überholen können, war ich allein.

Ein stilles Jubeln für mich selbst.

Yeah. Ich hab’s durchgezogen, nicht aufgegeben, vielleicht nicht alles gegeben, aber ich hab es geschafft. Kirsche ist nun Ultra.

Die von Laufticker aber war so lieb, dass sie mir noch Hallo sagte und gratulierte. Das war sehr sehr schön, vielen Dank! Aber da ich Zeitdruck hatte humpelte ich dann Walkermäßig gleich weiter, um zurück nach München zu gelangen. Michael holte mich freundlicherweise ab, da wir nämlich jemanden gefunden hatten, der uns mit nach München nehmen würde und ich – dank iphone – nicht erreichbar war. Und das allerbeste daran war: Ich konnte noch duschen! Wow. Die pitschnaßen Klamotten schälte ich mir vom Leib, betrachtete meine zwei Blasen dank des abgefallenen Fußnagels und vergötterte für 5 Minuten das heiße heiße Wasser. Langsame Kirsche, aber eine Ultra-Kirsche. Nur fehlt mir noch immer das „Voll weit gelaufen“-Gefühl, weil’s nur im Kreis ging. Daher freue ich mich auf den ersten Ultra, der wirklich von A nach B geht. Mit Downhills. Haaaaach.

Ein toller Service wurde an der Verpflegungsstation geboten: Warme Isogetränke, Eistee Zitrone warm, Cola, Apfelsaftschorle, Wasser, Kekse, Salz, Bananen, Riegel… Und immer ein Lächeln auf den Lippen. Wunderbar! Und nächstes Jahr bin ich wohl wieder dabei, diesmal aber die 5 Stunden schaffen.

Auf der Heimfahrt stellten wir fest: Ultralaufen ist wie Alkoholtrinken:

Nach einer durchzechten Nacht: „Boooah, nie wieder Alkohol! Nie! Wieder!“
Am selben Abend: „Aaach, eine Flasche geht noch.“

Während eines Ultralaufs: „Warum tu ich mir das eigentlich an, das reicht jetzt dann aber auch mal.“
Am selben Tag: „Uiii, der Ultra klingt doch toll: 75km mit 1700HM. Warum nicht?“

In diesem Sinne: Pack den Trainingsplan aus, der Zugspitz Supertrail wartet! (Bitte erst ab 02. Februar 😉 )

regeneration

18 Antworten zu “Kirsche ist Ultra – Der Ultramarathon in Rodgau #rodgau50

  1. Liebste Brösel-Kirsche,
    es ist so schön von dir zu lesen/hören und das du noch lebst und fast reibungslos “läufst”. Ein toller Bericht und so authentisch kirschig, ultrakirschig. Hat mir viel Spaß gemacht, deine Erfahrung zu begleiten. Ich denk an Dich und schicke dir einen dicken Drücker ❤

    • Mein Bröselchen!!!
      Natürlich laufe ich noch reibungslos – hust – und lebe noch! Immer 🙂
      Wie geht’s deinem Laufen und Badminton spielen? Ich fürchte wir müssen dringend ein Kaffee-Termin einplanen ❤ 🙂

  2. Herzlichen Glückwunsch zum ersten Ultra!
    Vielleicht kann man ja mal gemeinsam ein kleines Trainingsläufchen starten. Komme aus der Nähe von München und laufe eigentlich immer allein. Trailläufer gibt’s hier auf’m Dorf nicht so viel 😉

    • Danke! 🙂
      Gerne – ein gemeinsames Trailründchen wär immer schön! Was heißt denn „Nähe von München“ bei dir? Gibt’s bei dir etwa schöne Wälder, Wiesen und Berge zum Laufen? Eigentlich wär das ja perfekt für jeden Trailliebhaber! 😉

      • Na ja, „Nähe von München“ heißt 50 Kilometer nördlich, wobei ich wegen der Uni sehr oft in München bin. Wälder und Wiesen gibt’s bei uns schon, jedoch nichts vergleichbares zu den Isartrails oder dergleichen. :/

  3. Boah!!! Krasse Leistung, echt! Die dicksten Congratz von mir 🙂
    Ich werde auch beim ZST mit meiner Liebsten am Start sein…..das soll dann meine (unsere) erste offizielle Ultrapremiere werden. Ich bin da nicht so mutig wie Du…..getraue mich erst jetzt, ambitioniert u vom Trailrun-Virus befallen, nach 3 Jahren des Herantastens an einen Ultra ran. Laufen tu ich schon lange (über 15 jahre), war aber vor der Infizierung mit der Trailrennerei nur Ausgleich zur zweiten Leidenschaft, dem Schwimmen.
    Respekt für Deinen Mut und Dein „Durchbeissen“, Dickes Danke für Deinen Bericht, wie immer – eine Bereicherung!
    Gruß Simone

    • Hallo Simone,
      vielen Dank 🙂 Ich weiß auch nicht ob es klüger gewesen wäre, wenn ich vorher erst mal einen Marathon gelaufen wär, aber ich kann mich nicht beklagen! Es war toll und du wirst es mit deiner Liebsten auch genießen, ganz sicher! 🙂 Ich drücke da fest die Daumen!
      Und wer noch eine andere sportliche Leidenschaft hat, muss ja nicht überall so verrückt Vollgas geben 😉
      Liebe Grüße!

  4. Liebe Becky,
    auch hier noch einmal großen Respekt und herzlichen Glückwunsch zu deinem Ultra-Dasein! Da muss man sich auch erst einmal so durchbeißen.

    Ich hoffe, deinem Knie geht es nicht so schlecht, wie es klingt. – Und ich wünsche dir, dass noch ein wenig Muskelkater nachkommt. Sonst war das ja alles für die Katz‘ 😉

    • Lieber Hannes,

      danke danke danke 🙂 Es war ein gutes Durchbeißen und macht ordentlich Lust auf mehr!
      Dem Knie geht’s nach Arnika-Balsam, Tapen und so wieder gut – wie immer eben! Muskelkater war dann doch keiner vorhanden, dafür war ich zu langsam, aber eine schöne Blase habe ich als Andenken 😀 Besser als nix!

  5. geht doch nichts über einen entspannten 50er würde ich sagen 🙂

    Nachdem ich den Wolfratshausen Bericht gelesen habe, wusste ich nicht mehr warum du auch nur eine Sekunde gezweifelt hast an den 50. Rodagu ist doch wunderbar zu planen und läuft so vor sich hin.

    Hast Du prima gemacht, darfst Stolz auf Dich sein. Dank Dir konnte ich noch kurz in die Halle und ein paar Leute treffen, vielen Dank.

  6. Etwas verspätet, aber auch von mir hier noch einmal herzlichen Glückwunsch. Das ist echt Wahnsinn. Mir wären vermutlich meine Oberschenkel explodiert. Unglaublich, dass du keinen Muskelkater hattest. Super trainiert!

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  8. So. Ob mir das jetzt Mut macht, das weiß ich nicht – aber es war sehr schön zu lesen – schade dass man sich nicht trifft. Aber irgendwie bist Du ein Jahr weiter, so dass ich dann ja vielleicht nächstes Jahr auch mal was laufe, was nicht im Kreis geht… falls ich das hier überlebe 😉 Ich bitte um gedrückte Daumen!

    • Da kannst du drauf wetten, dass die Daumen gedrückt sind! Du wirst es lieben, hassen, mögen, verabscheuen und und und. Je nachdem – aber am Ende ist das Gefühl unbeschreiblich sagenhaft toll. Du rockst das, halte einfach durch und laber einfach Leute an, wenn’s arg wird. Egal wie lang du brauchst, du läufst das schon 🙂

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